Dienstag, 21. Juli 2020

Ein Sommernachtstraum mit 21.38 mag/arcsec^2

21.38 mag/arcsec^2 - diese Zahl bzw. vor allem diese Einheit ist nur jenen geläufig, die sich mit der Messung von der Himmelshelligkeit auseinandergesetzt bzw. diese auch selbst regelmäßig messen. Seit ca. einem Jahr besitze ich ein Gerät zur Messung der selbiger. Das "Light Pollution Meter" (LPM) der russischen Firma Astromechanics (siehe angehängten Link). Seit kurzem habe ich es an meine Aufnahmesoftware APT (Link ebenfalls im Anhang) durch einen selbstentwickelten Protokollkonverter angekoppelt, indem ich APT glauben lasse, dass das LPM ein Sky Quality Meter (SQM) der Firma Unihedron wäre. APT speichert zu jeder Aufnahme die gemessene Himmelshelligkeit. Aber lassen wir die Technik für den Moment außen vor und beginnen wir mit der Beschlussfassung, die Nacht vom 20. auf den 21.7.2020 am Brentenriegel zu verbringen.

Die Tagesprognose für den 20.7. war "unbeständig" und "durchzogen von Wolkenfeldern" mit einer starken Gewitterneigung am Nachmittag bis in den Abend. Der Vergleich mehrerer Wettermodelle hat dies Unbeständigkeit auch bestätigt - zeigten diese Modelle doch kein einheitliches Bild. Also mussten wir uns auf das Glück und die für die Astrofotografen beste angegebene Prognose verlassen. Diese sagte "wolkenlos ab 21:00" - bei der Anreise hatte ich jedoch strömenden Regen und der sonst von weitem sichtbare Brentenriegel war hinter dicken Wolken unsichtbar. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Bevor ich in weiter ins Detail gehe, stelle ich die heutigen Protagonisten vor: Wir, das sind der hier gerade schreibende Balkonaut, ein Arbeitskollege des Balkonauten (Marcus), ein langjähriger Freund (Peter) und ein astrofotografischer Leidensgenosse der mich erfolgreich zu dieser Nacht überredet hat (Martin). Auf diesem Weg ein Dankeschön an Martin - die beste Prognose der Wettermodelle hat doch tatsächlich Recht gehabt. Wir bauen unsere Gerätschaften auf, um die individuell gewählten Programme umzusetzen.

Aufbau der Gerätschaften

Die Programme im Einzelnen:

  • Balkonaut: Aufnahme des Emissionsnebels NGC6888 (Crescent Nebel) mit dem zuletzt am Balkon getesteten Takahashi Epsilon 160 des Sternwartenverein Brentenriegel und visuelle Beobachtungen mit dem Lacerta 8x56 Bino.
  • Marcus: Test der Korrekturfähigkeit seiner Montierung Celestron AVX in Verbindung mit dem MGEN-3.
  • Peter: Milchstraßenaufnahmen bzw. Aufnahmen des Kometen C/2020 F3 NEOWISE mit stehender Vollformatkamera
  • Martin: nachgeführte Aufnahmen der Milchstraße und des Kometen sowie Fortführung seines Aufnahmeprojekts NGC7000 (Nordamerikanebel) - siehe auch Martin Darthscience (NGC7000)


Es dauert bis ca. 21:45, bis wir den Polarstern sichten und die Montierungen einnorden können. Gegen 22:00 starten wir mit den Programmen - ich gehe im Detail jedoch in diesem Bericht nur auf mein Programm bzw. den Support an die anderen ein. Ergebnisse von den anderen verlinke ich, sofern diese öffentlich gemacht wurden.

Himmelshintergrund - Helligkeit

Ich verfolge die Himmelsentwicklung auf der graphischen Darstellung in APT. Sie zeigt, wie der Himmel zunehmend dunkler wird durch Anzeige der in der Einleitung bereits kurz angeführten Einheit "mag/arcsec^2".  Im Lauf der Nacht pendelt sie sich bei 21.38 mag/arcsec^2 ein - dies ist jedoch der Wert, der im Zenit gemessen wird.

Interpretation der angegebenen Werte (Quelle: http://www.darkskiesawareness.org/)

Betrachten wir die Grafik zur Interpretation des Werts:

  • knapp nach Übergang von Bortle 4 nach Bortle 3
  • Milchstraße zeigt viele Details, verliert aber in Horizontnähe
  • die visuelle Freisichtigkeit ist in Zenitnähe bei 6.3mag

Aufnahme der Milchstraße

Den hier angegebenen Eindruck können wir voll und ganz bestätigen. Martin und Peter können ihre Milchstraßenbilder machen. Das Ergebnis von Martin ist wirklich beeindruckend und nimmt fotografisch schon fast namibische Dimensionen ein! Martin führte seine Nikon mit Kitobjektiv auf einer Skywatcher EQ5 nach. Ich supporte bei den Aufnahmeeinstellungen, weshalb ich das Bild in diesen Blog stelle - Ausarbeitung erfolgte ausschließlich von Martin. 

Martin werkt an seinen Aufnahmesetups

Von Peter habe ich leider (noch) keine Ergebnisse erhalten.

Milchstraße über dem Brentenriegel ((c) Martin DarthScience)
 Auch der freisichtige Eindruck der Milchstraße war beeindruckend. Staubbänder und Schildwolke waren deutlich sichtbar. Das geht in unseren Breiten kaum besser!

Aufnahme des Emissionsnebels NGC6888

Ich möchte die Lichtstärke des Takahashi nutzen und habe schon im Vorfeld den Entschluss gefasst, dieses Objekt abzulichten. Der Nebel ist im Sternbild Schwan, welches aktuell in Zenitnähe und damit ideal zu fotografieren ist. Nähere Details zum Objekt unter https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_6888.

Aufnahmesetup für NGC6888


Ich konfiguriere folgende Aufnahmesequenz:

  • je 20x L, R, G, B mit 120s
  • 20x H-alpha mit 180s
  • 20x OIII mit 240s
Das Guiding mit dem MGEN-2 verläuft nahezu problemlos. Lediglich in Declination muss ich beim nächsten mal ein wenig nachbessern, da ich etwa 25% Ausschuss habe (unabhängig von der Belichtungszeit). Am Computermonitor verfolge ich immer wieder den Fortschritt der Aufnahme.
Der Balkonaut bei der Kontrolle des Aufnahmemonitors:
auch im Sommer wirds nächtens etwas frisch...

Kontrolle am Monitor

Die Rohdaten belegen knapp 4 GB auf der Platte. Das Postprocessing nehme ich mir für den folgenden Vormittag vor.

Postprocessing NGC6888

Ich beginne mit der Ausarbeitung der Breitbandaufnahmen R-G-B in Verbindung mit der Luminanz.

NGC6888: L-R-G-B Komposit
Im Breitbandbild geht der Nebel im Sternenmeer der Milchstraße förmlich unter. Sehr schön sind jedoch die Sternfarben in der Region erkennbar - der Emissionsnebel zeigt feine strukturelle Details.
Als nächstes werte ich die Schmalbänder H-alpha und OIII aus und kombiniere sie zu einem H-O-O-Bild.
NGC6888: H-O-O Komposit
Im Schmalband kommt der Nebel so richtig zur Geltung - die Sterne der Milchstraße wandern in den Hintergrund. Im Nebel werden weitere strukturelle Details sichtbar. Im letzten Schritt kombiniere ich Breit- und Schmalband.
NGC6888: LRGB-HOO Komposit
Die Kombination bringt den Emissionsnebel gut im Sternenmeer zur Geltung. 
Ich werde in einer weiteren Session noch einige Stunden im Schmalband aufnehmen, um das Signal-Rausch-Verhältnis zu verbessern. Die bisherige Ausarbeitung war noch ohne Bildebnung, Rauschreduzierung und kosmetischer Eingriffe. Jedenfalls ein schönes Objekt wie ich finde.

Visuelle Randnotizen

Während der Aufnahmesequenz habe ich, wie so oft, den Himmel mit dem Lacerta Bino 8x56 betrachtet. Folgende Objekte habe ich betrachtet:

M13 im Herkules
M24 kleine Sagittarius-Wolke
M16 Adlernebel
NGC884/869 Doppelsternhaufen (h+x)
M31 Andromedanebel

Gegen 3:15 hatten wir noch das Vergnügen gleichzeitig 4 Planeten am Himmel zu betrachten. Im Osten ging gerade die Venus als strahlender Morgen"stern" auf. Im Südosten stand Mars sehr schön rötlich schimmernd und im Westen standen Saturn und Jupiter kurz vor dem Untergang. Ein toller Himmelsanblick mit freiem Auge.
Saturn und Jupiter gehen im Osten unter
Venus im Osten mit Handy aufgenommen

Fazit

Es war eine traumhafte Nacht, es dämmert, als wir unser Equipment abbauten und verstauten. Die Eindrücke der Nacht werden noch lange nachwirken und wir hoffen, dass dieser Sommer sich vielleicht doch noch mit einem ausgeprägten und lang anhaltendem Hochdruckgebiet irgendwann einstellt und gnädig zeigt. Die Nächte wollen wir dann jedenfalls nutzen. Versprochen!



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